Artenreiche Glatthaferwiese - hoch und bunt

Die artenreiche Glatthaferwiese ist ein bestimmter Wiesentyp und zeichnet sich durch hochwüchsige Gräser und eine sehr hohe Vielfalt an Blütenpflanzen aus. Der namensgebende Glatthafer ist ihre kennzeichnende Grasart. Glatthaferwiesen entstehen durch eine angepasste extensive Nutzung mit Verzicht auf Stickstoffdüngung und eine zweimalige Mahd im Jahr. Alternativ können sie auch als sogenannte Mähweide im Frühsommer einmal gemäht und anschließend beweidet werden. Traditionell wird das Schnittgut als Heu genutzt.

 

 

Pflanzengesellschaften – Lebensgemeinschaften bestimmter Standorte

Glatthaferwiesen werden in der Vegetationskunde als Pflanzengesellschaft klassifiziert. Eine Pflanzengesellschaft beschreibt gleichartige Pflanzenbestände, deren Artenzusammensetzung das Ergebnis ähnlicher Lebensbedingungen ist. Jede Gesellschaft hat charakteristische Arten, die als Kennarten bezeichnet werden.

Kennarten und Begleiter – wer gehört dazu?

Kennarten sind Spezialisten, deren Vorkommen auf eine bestimmte Pflanzengesellschaft beschränkt ist. Daneben gibt es Begleiter, für die nur ein Standortfaktor – wie beispielsweise die Bodenfeuchte – entscheidend ist. Diese Begleiter können daher auch in anderen Gesellschaften vorkommen.

Standort und Nutzung – Wiesen mit Geschichte

Glatthaferwiesen wachsen auf gut nährstoffversorgten, trockenen bis frischen Böden. Sie sind durch die Nutzung des Menschen entstanden und müssen regelmäßig gemäht werden, um ihren typischen Charakter zu behalten.

Vielfalt in Schichten – drei Blühhorizonte

Je nach Wuchshöhe lassen sich in Glatthaferwiesen grob drei Blühhorizonte unterscheiden – von bodennahen Frühblühern über mittelhohe Gräser und Kräuter bis hin zu den hochwüchsigen Leitarten im Sommer.

 

Im Jahresverlauf ändert die Glatthaferwiese mehrmals ihr Erscheinungsbild. Die Mahd wirft die Entwicklung der Vegetationsdecke wieder auf den Anfang zurück, ermöglicht damit spät blühenden Arten „zum Zuge“ zu kommen.

NSG Tierkarten bei Nordkirchen im Frühsommer: Glatthaferwiese mit der Kennart Wiesen­-Margerite (Leucanthemum vulgare). Die Margerite blüht im Frühsommer und wird mit dem ersten Schnitt ab Juni geerntet.
Werand in den Baumbergen bei Nottuln im Frühsommer: Glatthaferwiese mit der Kennart Acker­Witwenblume (Knautia avensis). Die Blühphase beginnt Anfang Juni und dauert bis September, so dass sie sogar im 1. und 2. Wiesenschnitt dabei ist. Als weitere Kennart ist häufig die Wiesen‐Margerite mit von der Partie.
NSG Hirschpark bei Nordkirchen im Hochsommer: Glatthaferwiese mit der Kennart Wiesen-­Flockenblume (Centaurea jacea). Deren Blütezeit beginnt nach der ersten Mahd ab Ende Juni und dauert bis spät in den September hinein. Sie wird mit dem zweiten Wiesenschnitt geerntet.
Schlodbachaue bei Nordkirchen im Spätsommer: Die Glatthaferwiese mit der seltenen Wiesensilge (Silaum silaus) wächst auf basischen und feuchten Böden. Die Wiesensilge blüht erst spät von August bis September, sodass der zweite Wiesenschnitt hier nicht zu früh erfolgen darf.

 

Intensiv genutzte Wiesen werden (mehrmals im Jahr) gedüngt und häufig gemäht.

Extensiv genutzte Wiesen werden nicht oder nur wenig gedüngt und höchstens zweimal im Jahr gemäht

 

FFH: Die Flora-Fauna‐Habitat‐Richtlinie (= FFH-RL) ist eines der wichtigsten Naturschutz‐Instrumente der Europäischen Union zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Europa. Nach der FFH-RL sind Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (= FFH‐Gebiete) für definierte, ökologisch wertvolle Lebensräume (= FFH‐Lebensraumtypen) und Arten auszuweisen, um sie dauerhaft zu schützen.


Artenreiche Glatthaferwiesen waren einst in Deutschland häufig und weit verbreitet. Heute sind sie durch den hohen Nutzungsdruck in der Landschaft vielerorts verarmt oder verloren gegangen. Zu den Gefährdungen zählen die Umwandlung von Grünland in Acker, die intensive Bewirtschaftung mit Herbizid- und erhöhtem Düngereinsatz sowie die fortschreitende Versiegelung der freien Landschaft durch Straßen-, Siedlungs- und Gewerbeflächenbau.


Artenreiche Glatthaferwiesen gehören zu den europaweit gefährdeten naturnahen Lebensräumen, die als FFH-Lebensraumtyp 6510 geschützt sind. Je nach Standortbedingungen (Bodenfeuchte, pH-Wert, Nährstoffversorgung, Höhenlage, Nutzungsart) und Region unterscheiden sich Glatthaferwiesen durch ein speziell angepasstes Artgefüge mit bestimmten Kennarten.

 

Die Hörstation erzählt spannende Geschichten über zwei seltene Grünlandarten im Kreis Coesfeld:

  1. Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe) – eine Feuchtwiesenart, die vom Aussterben bedroht ist und unter dem Klimawandel leidet.

     Hörspiel: Lungen-Enzian, Schmetterling und Ameise (MP3, 3 MB) 

  2. Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) – eine Orchideenart, die vom Klimawandel profitiert und sich derzeit im Kreis Coesfeld ausbreitet.

     Hörspiel: Bienen-Ragwurz - eine Insektentäuschblume auf Ausbreitungskurs (MP3, 2 MB) 

 

Mehr Infos: Ausstellung “Wo die wilden Pflanzen leb(t)en”